Meine Plenarrede am 12.10.22: Feministische Außenpolitik im Iran

Frau Präsidentin,
 Liebe Kolleg*innen,

wir sehen gerade Menschen im Iran, die
 angeführt von mutigen Frauen ihr Leben
 riskieren, um für ihre Freiheit und ihre Rechte gegen einen repressiven und massiv gewaltvollen Staat zu kämpfen. Die den Tod von Jina Mahsa Amini nicht einfach hinnehmen. Die kämpfen, trotz ihrer Angst, dass ihre Freund*innen, Schwestern, Kinder, nicht lebend von einem Protest nach Hause kommen.

Diese Angst, wird zu Wut, wird zu Wandel. Zu einer Revolution, in der tausende Menschen, von jungen Schülerinnen bis zu Arbeitern aus der Ölindustrie, jeden Tag im gesamten Land gegen das unterdrückende Regime kämpfen.

Liebe Unions-Fraktion, es ja ganz klar, dass sie hier unbedingt vermeiden wollten, selbst eine feministische Außenpolitik in ihrem Antrag zu fordern. Aber es ist auch ein Zeichen Ihres tiefgreifenden Missverständnisses von feministischer Außenpolitik, dass Sie denken, feministisch mit „frauenorientiert“ ersetzen zu können.

Eine feministische Außenpolitik zielt darauf ab, ungerechte Machtstrukturen und menschliche Unsicherheit zu erkennen, zu benennen und zu durchbrechen.

Genau das sehen wir in den feministischen Protesten im Iran. Das betrifft natürlich besonders Frauen, aber auch andere Gruppen von Menschen, die in unseren gesellschaftlichen Systemen immer wieder den kürzeren Ziehen, die bewusst unterdrückt werden.

Und deshalb hat es durchaus einen bitteren Beigeschmack, dass Sie uns zu feministischer Außenpolitik belehren wollen, wenn man in Ihrer Politik im Regelfall kein Interesse erkennen kann, den Status Quo dieser Ungerechtigkeiten zu durchbrechen. Stichwort Sozialtourismus.

Deswegen will ich klar sagen: Wir wollen keine „frauenorientierte“ Außenpolitik. Wir wollen eine feministische Außenpolitik. Und das ist ein Unterschied. Denn im Iran sehen wir auch keine frauenorientierte Proteste, sondern feministische Proteste. Menschen aus verschiedensten Bereichen der Gesellschaft gehen auf die Straße, stehen Seite an Seite mit den Frauen und riskieren ihr Leben. Weil sie wissen, dass es nicht nur darum geht, wer wann ein Kopftuch tragen muss. Sondern darum, ein unterdrückendes Regime zu stoppen. Darum Freiheit und Selbstbestimmung für alle Menschen zu erwirken. An die Menschen im Iran: wir hören euch, wir stehen bei euch. Wir trauern mit euch, um eure Liebsten, die aus dem Leben gerissen wurden. Wir geben alles, um eure Stimmen in die Welt zu tragen, den Blick der Welt auf euch zu richten.